Montag, 20. Mai 2013

Matthew Ward - May 12, 2013

Matthew Ward - May 12, 2013


VATER UND HIRTE - Bischof DDr. Stefan Lászlo

Bischof DDr. Stefan Lászlo wäre nun 100 Jahre - 1913 - 2013, 25. 2. 1913 - 8. 3. 1995 Am Pfingstmontag gedenken wir nochmals besonders dieses großen Mannes, des ersten Bischofs unserer Diözese. Schon als er uns verließ, wollte ich das Buch "Vater und Hirte" schreiben. Es wurde nichts daraus. Nun habe ich erst mal ein paar Geschichten zusammengeschrieben, die mir in den Kopf schossen. Ich habe natürlich hunderte Fotos. Ich werde diese nach und nach heraussuchen und in ein Fotoalbum stellen.
   Nun bat auch der "martinus" um persönliche Geschichten. Ein Teil von diesen Erzählungen wird wohl dort erscheinen. 



"Da ist sie ja wieder, unsere Gucki", freute sich der Bischof bei der Weihnachtsfeier. Rechts Gretl Kohlenberger, lange  Leiterin der Caritas, links Wilhelm Ringhofer, ab 1. September 2013 Probst der Bergkirche Eisenstadt.


   
   1960 wurde aus der Apostolischen Administratur unsere Diözese Eisenstadt. Im Juli dieses Jahres war ich nach der Schulzeit in Wien und Baden wieder in Eisenstadt gelandet, und trat der Katholischen Arbeiterjugend - KAJ - bei. Einmal war ich schon in der Pfarre am Oberberg in einer Gruppenstunde gewesen, und dachte, das wäre fein nach der Schule, wenn die Religionsstunden aufhören. Da ich aber in der Stadtpfarre zu Hause bin, meldete ich mich dort. Als ich gleich bei den ersten Liedern kräftig meine Stimme erschallen ließ, fragte mich die Führerin, ob ich nicht zum Kirchenchor gehen wollte. Natürlich wollte ich das, alles Singen war eine Freude für mich. 
   So konnte ich die Diözesanerhebung mit unserem neu ernannten Bischof DDr. Stefan Lászlo, von der Empore mit unserem Chor mitgestalten. Sogar im Fernsehen erschien ich damals, da ich neben der Solistin stand. Nun waren wir der Domchor anstatt einfach nur der Kirchenchor. Damals noch unter der Leitung von Prof. Bara. 
   Der neue Bischof war uns ja schon lange bekannt, auch seine sehr selbstbewusste Mutter, die nun - sehr zu ihrem Stolz - zur Bischofsmutter aufgestiegen war. Die Dreisprachigkeit des neuen Bischofs, Deutsch, Ungarisch und Kroatisch, war von großem Vorteil für unser Land, konnte er nun doch auch unsere Minderheiten in ihrer vertrauten Sprache anreden. 
   Wir nannten den Bischof so im Volksmund oft den "Pista Bacsi" - den Onkel Stefan. Aber eigentlich war er auch so eine richtige Exzellenz. Eine Mischung von allen, wie ein Vater, wie ein guter Hirte und doch auch eine ehrerbietende Persönlichkeit. 
   Im Bischofshof war ich viel, trotzdem sah ich den Bischof äußerst selten. Selbst als ich drinnen als Diözesansekretärin der Katholischen Arbeiterjugend arbeitete, kam ich nicht richtig in Kontakt mit ihm. Kurzum ich nahm an, er hätte mich gar nie registriert. 
   Später ging ich nach Vorarlberg arbeiten. In dieser Zeit wurde die Diözese Feldkirch gegründet. Unser Bischof war dabei, und nun staunte ich nicht schlecht: Er sah mich, begrüßte mich erfreut, und meinte zu dem Mann neben ihm - einen Ordensbruder aus Oggau, den er mir dann vorstellte: "Kennen Sie die nicht? Das ist die Gucki aus Eisenstadt." Siehe da, er wusste sogar meinen Spitznamen! Von da an war er mir natürlich schon sehr sympathisch! 
   Nach Vorarlberg kam die Seefahrt. Dazwischen meine Heirat, Scheidung und wieder Seefahrt. In der langen Fahrt nach China wuchs das Heimweh enorm: "Nach Hause, und einen ordentlichen Job bis zur  Pensionierung, wie andere auch - sonst nichts mehr!" 
   Sofort ging ich auch wieder zum Domchor, den schon länger Prof. Harald Dreo übernommen hatte. Nun hatte sich schon einiges geändert. Einmal im Jahr lud uns der Bischof ein, sozusagen zum Neujahrssingen. Später wurde Maria Lichtmess der Tag unseres Treffens, und das Haus der Begegnung ein beliebter Platz dafür. 
  Liebevoll sammelte unser Bischof das ganze Jahr über auf all seinen Reisen kleine Andenken, die er dann verteilte, unter anderem auch an uns vom Domchor. Nur, man musste sich die irgendwie verdienen. Es gab Quiz-Fragen zu beantworten! So erinnere ich mich an die Frage von ihm: "Wer weiß, warum ich die Zahl 33 so mag?" Nun, das war ja nicht schwer zu erraten, ich war die Erste, die die Hand in die Höhe riss: "Das ist das Lebensalter Jesu." "Jaaa", freute sich der Bischof, und ich bekam ein Kreuzerl aus Jerusalem geschenkt. 
   Als ich 1990 von Amerika zurückkam, wo ich als Journalistin für die deutsche Zeitung tätig war, meldete ich mich bei der Kirchenzeitung. Zuerst bei Josef Bauer, weil ich ihn kannte. Er war damals Chefredakteur in Wien. Meine Artikel gefielen ihm, und er meinte: "Geh zu Jonny Buchberger in Eisenstadt, der wird sich vielleicht auch freuen." So war es. Ein halbes Jahr, als Franz-Josef Rupprecht beim Bundesheer weilte, wurde ich sogar angestellt. Bei der nächsten Weihnachtsfeier durfte ich auf diese Weise dabei sein. Da nahm mich der Bischof bei der Hand und meinte: "Da ist sie ja wieder, unsere Gucki!" Hans Gürer hielt diesen netten Augenblick zum Glück auf Foto fest. 
   Der Bischof konnte an und für sich gut predigen. Doch manchmal schaffte er die Vorbereitung scheinbar nicht so ganz, dann war's nicht ganz so wunderbar. Wie wir damals noch eher zum Negativdenken neigten, hielten wir uns eher daran fest. Wenn wir also mit dem Domchor sangen, war da eine kleine Gruppe, die sich regelmäßig hinter den Chor zurück zog, wenn der Bischof anfing zu predigen. Manche brauchten auch eine Zigarette zwischendurch, und Harry wusste genau, wann wir wieder hinein mussten. Irgendwann, als ich so nach und nach durch die KAJ in der Liebe wuchs, kam mir zu Bewusstsein, dass das doch nicht die ganz feine Art war, dem Bischof einfach nie zuzuhören, mit der Ausrede: "Er sagt eh nichts Gescheites." Also blieb ich von da an drinnen, und siehe da, in jeder Predigt war genug, das ich mir herausholen konnte! 
   Ich wohnte vorübergehend im Altenheim St. Martin, als ich in Bremen in der Funkerschule war. Meine Wohnung war vermietet, dadurch konnte ich mir die Schule überhaupt leisten, und im Haus St. Martin waren die ursprünglich für die Angestellten gedachten Räume frei, die Mitarbeiter fuhren alle nach Hause. Als ich bei einer Feier des Hauses ein weißes Kleid an hatte, gefiel das dem Bischof besonders gut. Offensichtlich kam da meine gottverbundene Seele zum Ausdruck. Er meinte jedenfalls: "Nun wird die Gucki bald bei uns eintreten!" Damit meinte er in der Gemeinschaft der "Schwestern vom Göttlichen Erlöser", die auch das Haus St. Martin damals leiteten. Nun, das wurde nichts, aber ganz so weit hergeholt war diese Idee nicht, dreimal wollte ich in eine Gemeinschaft eintreten - zweimal in ein Säkularinstitut, aber es passte nie. Zuerst war ich ihnen zu energiegeladen, dann gefiel ihnen mein Autostoppen nicht. Bei einer anderen Gemeinschaft war ich dann schon zu alt. Heute weiß ich freilich, dass das eben nicht mein Weg gewesen wäre. 
   Wir hatten hohen geistlichen Besuch, der nach Pressburg zum Flughafen geleitet werden musste. Der Bischof übernahm das persönlich. Ich fuhr hinterher, denn ich wollte das ja festhalten. Mit Blaulicht schwirrten wir durch die Ortschaften, aber ich schaffte es trotzdem auf der Spur zu bleiben. Erste Station war der Dom in Pressburg. Das Bischofsauto hielt, ich dahinter und sprang hinaus. "Die Gucki", sagte der Bischof liebevoll. Erst danach erfuhr ich, dass diese Fahrt inkognito sein hätte sollen, und gar nicht pressemäßig festgehalten werden sollte. 
   Auch bei sonstigen Festen, selbst Straßenfesten in Eisenstadt, fragte der Bischof immer gleich: "Kennen Sie die, das ist die Gucki." Nun, viele kannten mich ja sowieso, aber ich fand es doch sehr nett. 
   Dann musste der Bischof aus Altersgründen um seinen Rücktritt ansuchen - damals war die Grenze noch 80. Er hätte aber noch gerne als amtierender Bischof seinen 80iger gefeiert. Das war ihm nicht gegönnt. Aber so hatte er wenigstens genug Zeit für die ganzen Feierlichkeiten. 
   Er wohnte dann im Haus St. Martin. Immer wieder wollte ich ihn besuchen, und schaffte es doch nicht. So kam es, dass er sich von dieser Welt verabschiedete, und ich hatte ihn nie besucht. Es tat mir so leid, aber nun war nichts mehr zu ändern. Ja, und dann saß ich bei seinem Sarg in der Kirche in Trausdorf, drei Stunden! Die anderen beteten kroatisch, und da ich das sowieso nicht kann, meditierte ich still für mich. Da war er mir so nahe, und es war mir, als würde er mich wieder bei der Hand nehmen und sagen: "Es ist alles gut."

Eisenstadt, 9. 1. 2013                                      INGRID MARIA LINHART